Porsche 918 Spyder: Von 0 auf 100 in weniger als 3 Sekunden | NZZ (2024)

Dass Hybridtechnik auch in einen Supersportwagen funktioniert, beweist Porsche. Mit dem 918 Spyder kann emissionsfrei bis 150 km/h schnell gefahren werden, wenn die beiden eingebauten Elektromotoren verwendet werden. Oder aber über 325 km/h, wenn sich der Benzinmotor zuschaltet.

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Eine kurze Drehung des Zündschlüssels, der nach alter Porsche-Tradition links vom Lenkrad sitzt. Und Ruhe. Nur ein leises Summen dringt aus dem Motorraum, kein Aufschrei aus vielen Zylindern, wie man das von einem Supersportwagen erwartet. Denn der 918 Spyder ist ein Hybridfahrzeug. Er besitzt nicht nur einen Verbrennungsmotor, sondern zusätzlich auch noch zwei Elektromotoren. Einer davon, 90 kW stark, befindet sich an der Hinterachse und ist über ein Hybridmodul mit dem Verbrennungsmotor verbunden. Der andere treibt unabhängig die Vorderachse an und bringt es auf 80 kW. Versorgt werden die beiden von einer flüssigkeitsgekühlten Lithiumionenbatterie mit 6,8 kWh Kapazität.

25 Kilometer weit im E-Modus

Ab Start automatisch im E-Modus, setzt sich der 918 fast lautlos in Bewegung. Bis zu einem Tempo von 25 km/h sorgt allein der vordere Elektromotor für Vortrieb, was den neuen Supersportwagen zum ersten Fronttriebler der Firma Porsche macht. Nach dieser Rollphase schaltet sich der zweite Elektromotor für die Hinterachse zu. Die Beschleunigung bei E-Fahrt ist nicht atemberaubend, aber durchaus zügig genug, um im normalen Verkehr keine Statistenrolle zu spielen. Die mögliche Höchstgeschwindigkeit liegt so bei 150 km/h. Im E-Modus kommt der Porsche rund 25 Kilometer weit, bis die Batteriekapazität erschöpft ist. Das Aufladen erfolgt durch ein völlig neu entwickeltes System der Rekuperation, das mehr als das Dreifache der Energiemenge bisher üblicher Konstruktionen liefert. Zudem kann der Porsche, weil er als sogenannter Plug-in-Hybrid konzipiert ist, an das Stromnetz angeschlossen werden. Bei Schnellladung dauert es 2 Stunden, bis die Batterie wieder voll ist, bei Normalladung 4 Stunden.

Wird das Gaspedal weiter durchgedrückt, wird die Hauptantriebsquelle des 918 aktiviert. Und sofort herrscht Renn-Atmosphäre. Denn vor der Hinterachse eingebaut ist ein V8-Motor mit 4,6 Liter Hubraum, der in der Basis aus dem Rennwagen Porsche RS Spyder stammt. Im 918 Spyder entsorgt er seine Abgase durch ein völlig neues Auspuffsystem. Es befindet sich in der Mitte des Zylinder-V, die kurzen Endrohre münden direkt oberhalb des Motors und hinter den Köpfen der Insassen ins Freie. Das erinnert an historische Formel-1-Konstruktionen, bei denen das Auspuff-Schlangennest aus Platzgründen nach oben verlegt wurde. Beim 918 sind es aber andere Gründe: Durch die Top-Pipes des HSI-Motors (heisse Seite innen) sinkt die Umgebungstemperatur im Motorraum, und das erleichtert die aktive Kühlung der Lithiumionenbatterie, die ebenfalls in der Wagenmitte und damit direkt beim Schwerpunkt untergebracht ist.

Extremer Leichtbau

Der in einem aus kohlefaserverstärktem Kunststoff bestehenden Aggregate-Träger sitzende V8-Motor wurde eigens für den Top-Porsche entwickelt. Weil alle Nebenaggregate elektrisch angetrieben werden, gibt es keine Riemenantriebe mehr an. Extremer Leichtbau kennzeichnet das Triebwerk. Dazu gehören die Titanpleuel, der dünnwandige Niederdruckguss am Kurbelgehäuse und die Stahlkurbelwelle, die nicht wie bei allen anderen V8-Porsches im 90-Grad-Winkel gekröpft ist, sondern eine flache 180-Grad-Konstruktion darstellt. Diese typische Rennmotoren-Bauweise bewirkt eine für einen Sportwagen unwesentliche Einbusse an Laufkultur, dafür aber einen spürbaren Leistungszuwachs im oberen Drehzahlbereich.

Der Verbrennungsmotor liefert den Löwenanteil zum enormen Vortrieb des 918. Er leistet 570 PS und ist für eine Höchstdrehzahl von 9000 U./min ausgelegt. Dabei wird er zu den sparsamsten Motoren der Oberliga gehören. Gegenüber dem Zehnzylindertriebwerk des Carrera GT konnte sein Verbrauch um 40 Prozent gesenkt werden.

Die kombinierte Leistung von 770 PS wird den Zweisitzer in weniger als 3 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h beschleunigen, die Höchstgeschwindigkeit soll jenseits von 325 km/h liegen. Was den Porsche aber von allen Sportwagen der höchsten Liga abhebt, ist der Normverbrauch: Weil er rein elektrisch und damit ohne Treibstoff fahren kann, profitiert er von den Gesetzmässigkeiten des Neuen Europäischen Fahrzyklus. Als Ziel gilt ein Normwert von 3 Litern auf den ersten 100 Kilometern. Den wird in der Praxis zwar niemand erreichen, dennoch wird der 918 Spyder im Segment der Supersportwagen neue Eco-Massstäbe setzen.

Die komplexe Hybridtechnik bringt viel Gewicht ins Auto, das an anderer Stelle wieder eingespart werden muss. Dafür kämpfen Porsche-Techniker an allen Fronten – etwa mit vollkommen neuen Radträgern, die allein schon rund 8 Kilogramm bringen. Noch ist der 918 nicht typisiert, aber im Fokus steht ein Gewicht von 1675 Kilogramm. Dafür sorgt auch das aus Kohlefaserverbundmaterial gefertigte Monocoque.

Was den künftigen 918-Fahrer erwartet, lässt der Prototyp erahnen, mit dem das Zusammenspiel aller technischen Komponenten derzeit im süditalienischen Nardo getestet wird. Immerhin gilt es, 50 Steuergeräte so zu koordinieren, dass die Kraftentfaltung des Verbrennungsmotors und der beiden Elektromotoren zu einem harmonischen Ganzen wird. Neben dem rein elektrischen Fahrmodus werden drei weitere Modi zur Verfügung stehen, die der Fahrer per Knopfdruck anwählen kann.

Im Hybrid-Modus sorgt der Antrieb für höchstmögliche Effizienz. Bei Sport-Hybrid schaltet sich die V8-Maschine nicht nur bei Bedarf zu, sondern sie übernimmt den Hauptantrieb und wird, wenn noch mehr Leistung gewünscht wird, durch die Elektromotoren unterstützt. Race-Hybrid macht die Sache noch sportlicher. Alle Reserven nutzt der 918 dann in der Stellung Hot Lap. Hier wird die Batterie für einige wenige schnelle Runden auf der Rennstrecke an ihrer maximalen Leistungsgrenze betrieben – bis sie nahezu komplett entleert ist.

Produktionsstart um 9 Uhr 18

Noch ist der 918 nicht auf jener Strecke unterwegs, die den endgültigen Test für jeden Sportwagen bildet: der Nordschleife des Nürburgrings. Aber die moderne Computersimulation ermöglicht zuverlässige Voraussagen, was die Hybridtechnik und das mit einer adaptiven Hinterachslenkung versehene Fahrwerk möglich machen werden. Die Porsche-Techniker erwarten Rundenzeiten, die mit 7 Minuten und 22 Sekunden rund 10 Sekunden unter denen des Carrera GT liegen.

Die Uhr tickt auch im Büro von Frank Walliser, dem Leiter des Projekts 918 Spyder. Hier zählt eine elektronische Anzeige die Tage herunter, die noch verbleiben bis zum Datum X. Tag X ist der 18. September des kommenden Jahres. Exakt um 9 Uhr 18 soll dann die Produktion des 918 beginnen. Nicht mehr als 918 Einheiten sollen gebaut werden. Bestellungen in dreistelliger Höhe sollen bereits eingegangen sein für den ersten Supersportwagen der Welt mit Hybridantrieb, der auch die Strassenzulassung bekommt.

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Author: Melvina Ondricka

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